Ecuador

Ecuador

Donnerstag, 29. Januar 2015

Wir Austauschschüler



Wir lassen alles hinter uns: Familie, Freunde, die Gewohnheit! Eines Tages steigen wir in ein Flugzeug ein und fliegen weg! Ins Unbekannte- Wir lassen 16 Jahre unseres Lebens hinter uns, um an einem Tag ein komplett neues anzufangen.
Wenn wir aus dem Flugzeug aussteigen sind wir alleine! Vielleicht sind wir mit anderen Austauschschülern geflogen, aber prinzipiell sind wir alleine. Alleine an einem Flughafen, den wir nicht kennen, in einem Land, das uns völlig fremd ist und mit einer Sprache, die wir nicht wirklich beherrschen. Wir stehen am Anfang unseres vielversprechenden Jahres.
Das ist der Moment, wenn wir realisieren, dass es ab sofort keine Eltern mehr gibt! Die Kofferausgabe wird ab jetzt alleine gefunden, anstatt nur hinter her zu laufen. Wir alle hoffen, dass unsere Koffer ankommen- was für eine Horrorvorstellung: ganz alleine im völlig fremden Land ohne seine Sachen da zustehen. Wenn wir dann- hoffentlich erfolgreich- unsere Koffer in den Händen haben, durch die Pass-und Zollkontrolle durch sind, kommt der schwierigste Schritt des ganzen Jahres: die Tür zu durchqueren. Eine eigentlich ganz normale Tür, die jeden Tag von hunderten Menschen durchquert wird. Aber für uns Austauschschüler ist sie viel mehr als „nur“ eine Tür! Es ist der Start unseres Jahres. Keiner weiß, was ihn auf der anderen Seite erwartet. Wird es ein tolles oder schlechtes Jahr? Werde ich schnell Freunde finden? Wie wird meine Gastfamilie wohl sein? Das sind Fragen, die wir uns alle stellen. Diese Tür ist die Grenze zwischen dem neutralen Flughafen und unserem neuen, völlig unbekannten Leben. Diese Tür ist die Grenze zwischen deiner Familie, von der wir uns schmerzvoll in Deutschland verabschieden mussten und einer neuen fremden. Eine Familie, die auf der anderen Seite wartet. Eine Familie, die wir bisher nur von Emails und Fotos kannten. Diese Tür ist der Start in unser neues Leben. Wenn wir diese durch quert haben, gibt es kein Zurück mehr. Wir sind mitten in unserem neuen Leben. Dieses fängt direkt bei der Begegnung deiner neuen Familie an und der ersten gemeinsamen Autofahrt zu unserem neuen zu Hause. Wir sind überwältigt von allem: der neuen Umgebung, den Personen, der neuen Sprache und selbst von dem neuen Verkehr. Diese Fahrt werden wir wahrscheinlich nie vergessen.
Mit der Zeit werden uns das neue Haus, die neue Umgebung und unsere neuen Familien immer gewohnter. Wir wissen irgendwann wo die Teller in der Küche stehen, wie der Fernseher funktioniert, den weg um nach Hause zu kommen und wir merken, wie unsere Beziehung zu unseren Familien immer besser wird.
Aber kaum haben wir uns an die gröbsten Dinge gewöhnt, müssen wir den nächsten schwierigen Schritt wagen: der erste Schultag! Die komische neue Schuluniform angezogen, kommen wir im der Schule an, in der wir keinen kennen. Im Idealfall begleiten uns unsere Gasteltern noch rein, aber wenn sie weg sind, sind wir wieder einmal ganz alleine. Kennen keinen, können die Sprache nicht und alle starren uns an! Jedem müssen wir erklären, wer wir sind, woher wir kommen und was wir hier machen- mit unseren gebrochenen Sprachkenntnissen. Zusätzlich muss den Lehren erfolgreich erklärt werden, dass wir bloß Austauschschüler sind und deswegen keine Noten brauchen. Wir sind gekommen um die Kultur kennen zu lernen, Freunde zu finden und die neue Sprache zu lernen. In diesem Jahr lernen wir keinen – Schulstoff- wir lernen Leben! Wir lernen in einer anderen Kultur zu leben, wir lernen eine neue Sprache, wir lernen ohne unsere eigentliche Familie zu leben und unsere Probleme alleine zu lösen. Wir lernen selbständig zu sein!
Aber Jeden Tag wird es in der Schule besser. Jeden Tag verstehen wir mehr- irgendwann können wir uns ohne Probleme unterhalten. Dann dauert es nicht mehr lange, bis wir- im Normalfall- Freunde finden. Menschen, die wir vor ein paar Monaten ncoh nicht mal kannten. Menschen, die uns am Anfang nur angestarrt haben. Menschen, deren Muttersprache eine andere ist als die unsrige. Diese Menschen werden zu unseren Freunden. Freunde, für die es sich lohnt morgens aufzustehen und in die Schule zu gehen. Wir merken, wie ist jeder gemeinsamen Aktivität unsere Freundschaften besser werden: Wir fühlen uns in den Pausen  nicht mehr bloß wie Dekoration, die zwar gerne dabei sitzen darf, aber eigentlich nicht richtig dazugehört, sondern wir fühlen uns als Teil des Freundeskreises. Aber auch wenn wir tolle Freunde gefunden haben, fühlen wir uns trotzdem manchmal völlig fehl am Platz. Wenn diese zum Beispiel anfangen von anderen Leuten zu reden und du nicht mal die geringste Ahnung hast, wer das ist.
Austausch ist wunderbar, schrecklich, das Beste überhaupt und zugleich das schwerste Jahr unseres Lebens. Austausch ist wunderbar, wenn wir merken, dass wir tolle Freunde gefunden haben, uns als richtiges Familienmitglied unserer Gastfamilien fühlen und die Tage, an denen wir in unseren Zimmern rumsitzen und uns langweilen immer weniger werden. Aber Austausch ist nicht immer so leicht und jeder, der denkt: „Ich mach mal ein chilliges Jahr, in dem alles einfach ist“, liegt völlig falsch! Alles, was wir erreichen, haben wir uns selbst erkämpft, nichts kommt uns zugeflogen. Die Freunde haben wir, weil wir auf sie zugegangen sind und uns mit ihnen unterhalten haben, weil wir gefragt haben, ob wir mal was zusammen machen wollen. Weil wir offen für sie waren. Freunde finden sich definitiv nicht von alleine! Als Familienmitglied fühlen wir uns, weil wir uns an die komplett andere Lebensweise anpassen, weil wir das neue Essen essen und weil wir zuerst sagen, dass wir sie lieb haben! Die langweiligen Tage werden weniger, weil wir uns neue Hobbies suchen!
Wir machen die ersten Schritte und gehen auf alles Neue zu, aber manchmal hilft das alles nichts. Manchmal wollen unsere Klassenkameraden einfach nichts mit uns zu tun haben oder wir fühlen uns nicht als richtiges Familienmitglied. Alle sagen uns, dass wir einfach offen und flexibel und uns integrieren müssen! Aber manchmal ist das nicht möglich- schon gar nicht „einfach“! Das ist der Punkt, wo wir merken, dass Austausch nicht so einfach ist, wie viele davor meinten. Austausch hat zwei Gesichter: das total glückliche mit allen Fotos, die wir bei Facebook und Instergram hochladen, die jeden neidisch machen. Das andere ist das schwierige, sich völlig fehl am Platz fühlende und das „die gute alte Gewohnheit in Deutschland vermissende“ Gesicht. Keiner zu Hause bekommt es mit, wenn du am ersten Schultag auf dem Schulklo Tränen in den Augen hast, weil dich alle nur anstarren und das mit der Kommunikation doch schwieriger ist als du dachtest.  Wenn du mal wieder ein Abendessen ohne einen Wortwechsel hast, weil du einfach nicht weißt, worüber du sprechen solltest oder nicht mal zum gemeinsamen Abendessen gerufen worden bist. Keiner bekommt es mit, wenn du heimlich die Tage zählst, bis du endlich wieder deine richtige Familie in den Armen halten kannst und deine Gewohnheit zurückhaben kannst. Keiner bekommt die ganzen angefangenen Gespräche mit, die kein Ende haben, weil sich der Gesprächspartner einfach umdreht.  Keiner kann die Kopfschmerzen und die Müdigkeit am Ende eines langen und auf einer anderen Sprache rumschreienden Mitschülern nachvollziehen. Keiner versteht es, wenn sich in deinem Kopf plötzlich drei bis vier Sprachen mischen und es schwierig wird Deutsch vernünftig zu sprechen.
Austausch ist ein Jahr, das wir in unserem Leben nie vergessen werden. Mit all den tollen, wunderbaren und atemberaubenden Dingen, die wir erleben dürfen, den Menschen und den neuen Freunden, die wir am Ende haben, mit dem zweiten Zuhause, dass wir nun haben. Aber Austausch heißt auch sich, sich völlig fehl am Platz zu fühlen, Heimweh zu haben und seine Probleme alleine lösen zu müssen. Aber genau das lässt uns wachsen! Jedes große und scheinbar unlösbares Problem, das wir gelöst haben, hat uns stärker gemacht. Wir wissen jetzt, wie sich Austausch anfühlt und was es heißt, alleine in einem fremden Lang ein Leben anzufangen. Austausch verändert uns! Macht uns selbstständiger, anpassungsfähiger und toleranter! Deswegen sollte jeder einmal in seinem Leben ein Austauschschüler gewesen sein! Vergesst nie: Die schwierigen Zeiten machen die guten besser! 
alle Austauschschüler in Ecuador 2014/2015

Sonntag, 11. Januar 2015

Piranhas angeln und Maden essen



meine Gruppe im Amazonas: Nathalie aus Deutschland, Mégane aus Belgien, Pia aus Deutschland, Fanny und Alexia aus Frankreich und ich und Lara aus Deutschland

 LAUTERBACH/AMAZONAS. WildlebendePapageien, Krokodile und kleine„Herr Nilsson Affen“sehen – das ist nicht im Zoo, sondern im Amazonas möglich.Im Dezember flog ich mit 30 anderen rotarischen Austauschschülern in den Amazonas, um dort dreieinhalb erlebnisreiche, wunderschöne, aber auch anstrengende Tage zu erleben.
Angefangen hat es um sechs Uhr morgens am Flughafen in Quito, dort trafen wir uns alle und nach einem ungefähr 30-minütigen Flug kamen wir in Coca an. Coca ist eine sehr kleine und arme Stadt, die im Amazonas liegt. Schon am Flughafen bemerkten wir, dass dort alles anders ist. Die feuchte Hitze, keine Fließbänder für die Koffer, sondern lediglich eine Kofferausgabe und ein Flughafen, der eher einem Bahnhof als einem Flughafen gleicht. Nachdem jeder seinen Koffer hatte, fuhr uns ein Bus näher zum Flussufer, von dort fuhren wir dann mit einem Motorboot zwei Stunden den Rio Napo hoch. Der Rio Napo ist ein sehr großer Fluss, der sich durch das ecuadorianische und peruanische Amazonasbecken zieht. Schon während der Fahrt bestaunten wir die sehr vielseitige Natur. Wo das Auge auch hinschaute, war alles einfach nur grün. Vereinzelt gab es an den Ufern kleine ärmere Siedlungen, aber nichts Großes. Nachdem wir dann ankamen, mussten wir ungefähr noch 30 Minuten zu Fuß laufen, bis wir dann noch mit Kanus über einen See zur Lodge gefahren wurden. Während wir liefen, sahen wir zum Beispiel große Ameisen, die riesige Straßen über unseren Weg bildeten. Auch Schmetterlinge in den verschiedensten Farben und Größen flogen uns über den Weg. Alleine schon die ganze Anreise war ein Erlebnis für sich. An der Loge angekommen, hieß es dann erst mal die Zimmer begutachten. Schnell wurde festgestellt, dass wir statt Fenstern nur Fliegengitter hatten, leider keine Klimaanlage, sondern nur einen Ventilator, und dass die Tür nicht perfekt schloss. Abgesehen davon war die Loge atemberaubend. Alles ist eine kleine Welt aus Stelzen und drum herum ist einfach nur Regenwald, keine Häuser, laute Autos oder kläffende Hunde – nur Stille.

Der Chef der „Sacha Lodge“ ist ein Deutscher, der sich mit dem Aufbau seinen Lebenstraum erfüllt hat. Später am Tag sollten wir uns für die kommenden Aktivitäten in kleinere Gruppen aus fünf bis sieben Austauschschülern zusammenschließen. Meine Gruppe bestand nur aus einer Belgierin, zwei Französinnen und vier Deutschen. Jeder Gruppe wurde ein „Native-Guide“ zugeteilt, der alle Aktivitäten mitmachen würde und uns auch überall hin paddeln würde. Nachdem Mittagessen hatten wir Freizeit, und die nutzten wir erst mal zum Baden im See, der zu der Lodge gehört. Das Baden war erlaubt, aber es musste jedem bewusst sein, dass in diesem See Krokodile und Piranhas leben und deswegen sollte niemand tagsüber zu nahe an die Ränder schwimmen, denn da halten sich meistens die Krokodile auf. Es ist dort auch verboten, nach halb fünf zu schwimmen, denn dann bekommen die Tiere Hunger. Natürlich ist keinem etwas passiert, aber trotzdem war es ein unheimliches Gefühl, vor allem, wenn du dann am nächsten Tag zur Schwimmzeit ein fast zwei Meter langes Krokodil mitten durch den See schwimmen siehst. Am Abend, als es schon dunkel war, fuhren wir mit dem Kanu auf den See raus, um hoffentlich Krokodile zu sehen. Jeder hatte eine Taschenlampe und uns wurde erklärt, dass wir mit ihr den See ableuchten sollten, und wenn der Lichtstrahl reflektieren sollte, dann sei es höchstwahrscheinlich ein Krokodil. Ziemlich lange sahen wir alle nichts, doch dann hat Benjamin – unser Guide – doch ein Krokodil gesehen. Mit unserem Kanu fuhren wir bis zwei Meter ran und bestaunten es aus nächster Nähe. Nach einer sehr kurzen Nacht wurden wir am nächsten Morgen um halb sechs geweckt. Wieder einmal ging es mit dem Kanu los, denn das ist das einzige Transportmittel. Wir fuhren den Fluss entlang, bis wir plötzlich anhielten, weil irgendetwas über uns in den Bäumen war. Es waren Affen, wie Herr Nilsson aus Pippi Langstrumpf, und einer hatte ein kleines Affenkind auf dem Rücken. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, dass ich niemals vergessen werde, als die freilebenden Affen über unseren Köpfen in den Bäumen rumsprangen, während wir unten im Kanu saßen. Auf unserer anschließenden Wanderung durch den Regenwald hielten wir zwischendurch immer an, damit uns Benjamin etwas erklären konnte. Zum Beispiel durften wir nicht einfach einen Baum anfassen, um uns festzuhalten, denn das kann gefährlich sein, weil da Ameisen dransitzen könnten, deren Biss so schmerzhaft sei, als ob man angeschossen werde. Dieser Schmerz würde 24 Stunden anhalten. Wir waren uns alle einig, dass wir so schnell nichts einfach so anfassen würden. Am Nachmittag fuhren wir dann zu einem ungefähr 40 Meter hohen Baum, um den ein Gerüst gebaut wurde, um hochsteigen zu können. Oben angekommen, bestaunten wir den Regenwald aus einer neuen Perspektive. Man konnte bis zum Horizont die Gipfel der Bäume sehen. Am nächsten Tag wurden wir wieder einmal früh geweckt, um in eine Gemeinschaft, die weiter im Amazonas lebt, zu fahren und dort ein bisschen mehr über das traditionelle Leben der Ureinwohner zu lernen. Generell wird alles, was sie verdienen und ernten auf alle Mitglieder gerecht aufgeteilt. Nachdem uns alles gezeigt wurde, gelangten wir völlig fertig wieder am Startpunkt an, denn es war sehr heiß an diesem Tag! Die Hitze im Regenwald ist, wie man schon vermutet, nicht trocken, sondern sehr feucht, sodass man an einem Tag mehrmals das TShirt wechseln muss und auch öfter duschen geht. Während wir alles besichtigt hatten, wurde uns von einigen Bewohnern ein traditionelles Essen zubereitet. Aber vorher konnten alle, die wollten, eine Made probieren. Mir wurde nur vom Zuschauen schon schlecht, aber viele haben es wirklich probiert. Diese Made lebte noch, und man musste da reinbeißen. Es gab nur eine Austauschschülerin, die sie ganz gegessen hatte und sie danach auch drin behielt. Eine andere Form, wie man diese Maden isst, ist am Spieß geröstet. So sollen sie aber lecker geschmeckt haben… Ich fragte eine Einheimische, ob sie die Maden wirklich regelmäßig essen oder ob das nur eine Sache für die Touristen ist. „Nein, wir essen die wirklich“, war ihre Antwort. Neben den gewöhnungsbedürftigen Maden gab es noch traditionell zubereiteten Fisch und salzige Kakaobohnen, beides war echt lecker, und zum Trinken gab es Tee und Saft aus der Yukkapflanze. Die Gemeinschaft war für mich wieder ein tolles Erlebnis – genauso wie die Hängebrücke, die wir am Nachmittag besuchten. Eine Brücke mitten im Amazonas, fast 50 Meter hoch und total wackelig. Während ich da oben langlief, hatte ich ehrlich gesagt schon ein bisschen Angst. Es war trotzdem total einmalig und unbeschreiblich. Nach dem Abendessen gingen wir dann Piranhas fischen. Da Benjamin der coolste aller Guides war, blieben wir nicht nur an der Loge zum Fischen, sondern fuhren raus auf den See. Aber leider fingen wir nur einen ganz kleinen, denn die Piranhas sind viel schneller als wir. Sie essen das Fleisch vom Haken, aber sind schnell genug, um danach davonzukommen ohne geangelt zu werden. Danach machten wir noch eine Nachtwanderung, wobei wir Spinnen, Frösche und Ameisen sahen. Es ist ein großer Unterschied, ob du im Regenwald am Tag oder in der Nacht bist, denn in der Nacht hörst du noch viel mehr Geräusche als am Tag. Diese dreieinhalb Tage im Amazonas waren unbeschreiblich schön, unvergesslich, aber auch anstrengend wegen der Hitze, den kurzen Nächten und den Wanderungen durch den Amazonas. Aber ich werde diese Reise nie in meinem Leben vergessen, denn die Natur und die Tiere waren einfach unbeschreiblich. Wenn ich jetzt im Nachhinein auf die viel zu wenigen Tage zurückblicke, kommt es mir nur wie ein Traum vor, so atemberaubend war es.